
Zur Geschichte des 1. Mai
Der erste Mai – heute für viele ein willkommener arbeitsfreier Tag – Bratwurst und nette Bühnenreden?
Oder lieber ausschlafen und später vielleicht Grillen?
Positiv waren auch die Reaktionen zahlreicher Passant:innen, die uns grüßten, mitklatschten oder sich – mal weiter vorn, mal weiter hinten – spontan bei uns einreihten. Einen besseren Beweis dafür, dass unsere Roten Fahnen und unsere politischen Parolen – zum Beispiel „Kriegstreiber wegtreten!“ – vielen Menschen aus dem Herzen sprechen, kann es nicht geben!
Außergewöhnlich viele junge Menschen, aber auch weiterhin zahlreiche Kolleg:innen aus Betrieben der Region – ob von Stihl, Syntegon, Bosch, den Rems-Murr Klinken, Otis, verschiedenen lokalen Kitas oder von Mercedes – folgten dem Aufruf mit dem Motto „Sozialismus statt Weltkrieg“. Unser Fazit lautet daher: Wer von links klare Kante gegen die Kriege der Reichen und den Irrsinn der kapitalistischen Eigentumsverhältnisse zeigt, erhält Zuspruch über die „eigene Szene“ hinaus, gewinnt politische Stärke und übernimmt Führung in der Einheitsfrontorganisation Gewerkschaft. Gerade in Zeiten einer ungebrochenen politischen Rechtsentwicklung und der Ermöglichung quasi „unendlicher“ Schulden für die Bundeswehr erscheint dies nötiger denn je.
Staatstragende Bratwurst-Folklore bringt nix!
Während der 1. Mai in zahlreichen Kleinstädten, wenn es ihn überhaupt noch gibt, auf eher ein gelangweiltes Rumsitzen geschrumpft ist (schwäbisch: „Hocketsen“), wächst in Waiblingen seit Jahren scheinbar unaufhaltsam eine wahrnehmbare kämpferische Alternative. Voll mit politisch offensiven, aber zugleich Verständlichen und „anschlussfähigen“ Inhalten sowie Demo-Aktionen zum Mitmachen.
Die Demo nahm laut und lebendig ihren Verlauf, war aber zu keinem Zeitpunkt unpolitisch. Von Konfetti-Kanonen, über das gemeinsame „Wegtreten“ der Kriegstreibenden und einer kollektiven Bewertung von Angriffen auf die Arbeiter:innenklasse anhand von Smileys, bis hin zu einem riesigen „Sozialismus“ (plus Hammer und Sichel)-Bannerdrop am Rande war vieles geboten. (Bilder zu allen Aktionen findet ihr untenstehend.)
Selbstbewusst liefen die Demoteilnehmer:innen hinter dem Transparent des DGB. Ergänzt wurde die vom DGB ausgerufene Parole „Mach dich stark – mit uns“ durch eigens angefertigte Standarten, auf denen Losungen wie „Für eine proletarische Demokratie statt der die Diktatur der Bosse!“ oder „Für Streik gegen Entlassungen statt „Sozial“plan!“ zu lesen waren und somit der Demonstration einen tatsächlich politischen Ausdruck verleihen konnten.
Nahezu die gesamte Demonstration trug Schilder mit klassenkämpferischen Forderungen aus den vergangenen Tarifrunden in der Metall- und Elektroindustrie und dem öffentlichen Dienst. Mit dabei waren zum Beispiel „Tarif statt Taurus!“ oder „Sozialismus statt Källenius!“.
Laut, kämpferisch und entschlossen wurde getrommelt, gesungen und Parolen wie „Brecht die Macht der Banken und Konzerne“ gerufen.
Dort kämpfen, wo die Klasse ist!
Die gesamte Mobilisierung, die unter dem Motto „Sozialismus statt Weltkrieg“ stand, bewerten wir insgesamt als sehr positiv. Nicht zuletzt die gestiegene Teilnahme an unserer Demonstration zeigt das. Im Vorfeld hatten wir in und um die Betriebe in der Region mobilisiert. Die Kampagne hat durch Betriebsverteilungen, Plakate, Vorträge und die 1. Mai-Konferenz, bei der wir Arbeiter:innen zu einem gemeinsamen Austausch für die kommende Demo einladen, in Waiblingen viele Kolleg:innen erreicht. Eben das war unser Ziel: dort zu kämpfen, wo die Klasse ist! Die Rote Gewerkschaftseinheit zu schaffen und politische Führung in der Klasse zu übernehmen; anstatt sich abzuarbeiten im akademischen Elfenbeinturm oder in aktivistischen Nischen. Wir sind bei unserer Klasse in der industriell geprägten Kleinstadt Waiblingen am Rand der Region Stuttgart, in der Fabrik, im Krankenhaus, auf der Straße.
Mit der Wahl unseres Mottos „Sozialismus statt Weltkrieg!“ wollten wir vor allem sagen, was unsere momentane Lebensrealität ist und eine Alternative formulieren.
Wir erleben die – zumindest seit dem Ende des Kalten Krieges – größte Gefahr eines dritten Weltkriegs. Wir erleben das maßlose Aufrüsten der BRD und die konkreten Kriegsvorbereitungen, die die Herrschenden bereits jetzt treffen. Nicht zuletzt durch verstärkte staatliche Repression, um diejenigen, die der „Kriegstüchtigmachung“ der Gesellschaft im Wege stehen, klein zu halten und die sprichwörtliche „Ruhe an der Heimatfront“ zu erzwingen.
Was heißt „Einheitsgewerkschaft“?!
Wir sind Kommunistinnen und Kommunisten, aber auch zugleich der kämpferischste, vorwärtstreibende Teil der lokalen Gewerkschaftsbewegung.
Wir wollen einen spürbaren Beitrag dazu leisten, den Niedergang unserer Gewerkschaften als elementare Form der Klassenorganisation zu stoppen. Wir werden unsere Klasse nicht obrigkeitshörigen Apparatschiks überlassen. Wir kämpfen um die Köpfe und die Organisierung unserer Klassenbrüder und Klassenschwestern.
Allerdings wundert es uns nicht, dass es „Kollegen“ in unserer Gewerkschaft gibt, die das mit der Einheitsgewerkschaft nur dann „ernst“ meinen, wenn ihre SPD die unwidersprochene Führung hat. Aber die Lehre aus dem deutschen Faschismus war für die Arbeiter- und Gewerkschaftsbewegung nicht die Unterordnung der Kommunisten unter eine Regierungspartei und deren Anhänger in gewerkschaftlichen Funktionen, sondern der gemeinsame Kampf sozialdemokratischer, kommunistischer und parteiloser Arbeiter/innen gegen die Kapitalisten und deren Regierung.
„Wer sich nicht bewegt, der spürt seine Fesseln nicht!“
Im Vorfeld der Demonstration erließ das Ordnungsamt geradezu absurde Auflagen, die unter anderem die Länge unserer Transparente, die Anzahl der genutzten Trommeln oder den Einsatz von Wunderkerzen betrafen. Ein Teil der Auflagen wurde auf öffentlichen Druck hin zurückgenommen und die Demonstration verlief trotz dieses Einschüchterungsversuchs selbstbewusst und selbstbestimmt.
Explizit nicht zurückgenommen wurde das Verbot von Rauchtöpfen. Vermutlich war nicht nur der öffentliche Druck ausschlaggebend für die Rücknahme der Auflage. Staat und Polizei darf nicht entgangen sein, dass wir auch in den letzten Jahren selbst bestimmt haben, wie wir unsere Rote Gewerkschaftseinheit auf die Straße tragen.
Auch heute haben das die anwesenden Kolleg:innen gezeigt, dass sie verstanden haben, dass man sich Rechte erkämpft in dem man die Grenzen des bestehen Rechts überschreitet. Und erst recht nicht bestehende Rechte devot in sogenannten „Kooperations“gesprächen mit der Polizei herschenken darf.
Wie sagte es einst der frühere IG Metall Vorsitzende Otto Brenner: „Nicht Ruhe, nicht Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit ist die erste Bürgerpflicht, sondern Kritik und ständige demokratische Wachsamkeit.“
Kurz vor dem Waiblinger Marktplatz war roter Rauch zu sehen und wir haben uns sehr darüber gefreut. Denn wir wissen, Auflagen hin oder her, letztendlich wird die Auseinandersetzung auf der Straße geführt und heute haben die Kolleg:innen gezeigt, dass sie auch dazu bereit sind.
Sozialismus statt Weltkrieg!
Mit dem diesjährigen Motto haben wir ein klares Signal gesetzt: Der Krieg ist kein Randthema. Er betrifft unsere Klasse direkt – sei es durch Preissteigerungen, Aufrüstung auf dem Rücken der Sozialausgaben oder durch die Gefahr einer direkten militärischen Eskalation. Wenn Linke aufhören, von der Kriegsgefahr zu sprechen, dann überlassen sie das Feld jenen, die die vermeintliche Antwort längst parat haben: den Rechten, den Querdenken-Schwurblern und den Nazis.
Dass Nazis sich heute in demagogischer Verdrehung der Realität „Friedensbewegung“ nennen können, liegt auch daran, dass zu viele Linke die Kriegsgefahr nicht als solche erkennen oder nicht entsprechend handeln. Dabei ist klar: Wir Arbeiter:innen, Kommunist:innen, kämpferische Gewerkschafter:innen und Antifaschist:innen sind, potentiell, die einzig wirksame Friedensbewegung. „Nazis raus“ zu rufen allein, reicht nicht mehr. Die Rechte ist auf dem Vormarsch, weil sie soziale Fragen aufgreift – und mit „falschen Antworten“ vielen den Kopf verdreht.
Wir müssen mit klarer, sozialistischer Perspektive, auf der Straße und im Betrieb dagegenhalten. Diejenigen Themen zu besetzen, die unsere Klasse direkt bewegen oder bewegen sollten – Krieg, Sparpolitik, Produktionsverlagerung in Billiglohnländer, Arbeitskampf – ist ebenfalls praktischer Antifaschismus.
Das Ergebnis heute auf der Straße ist für uns keineswegs Zufall. Es ist das Resultat von jahrelanger harter Arbeit im Betrieb, in gewerkschaftlichen Gremien, im gewerkschaftlichen Hauptamt. Wenn wir die Gewerkschaften denjenigen überlassen, die schnarchnasig jeglichen Konflikt „kompromissbereit“ am Tisch klären wollen, müssen wir uns nicht wundern, wenn andere sich als die neue „Alternative für Deutschland“ darstellen können.
Was die Kapitalistenklasse in der BRD wirklich fürchtet, ist nicht die Radikalität kleiner Gruppen, sondern eine geeinte, tief in den Betrieben verankerte Arbeiter:innenfront, die sich ihrer politischen Mission bewusst ist – dem Kampf für ein besseres Leben jenseits des Kapitalismus – und die nicht einfach isoliert werden kann.
Dieses Jahr haben wir gezeigt, dass wir auf Angriffe vorbereitet sind. Nächstes Jahr werden wir das wieder sein müssen – denn wer in die Offensive geht, wird bekämpft. Aber das ist auch das größte Kompliment, das man uns machen kann.
Der 1. Mai lebt – und er lebt durch uns.
Es lebe der 1. Mai!
Sozialismus statt Weltkrieg!
Hier findet ihr den Bericht zum 1. Mai 2024.
Hier könnt ihr die Jugendrede nachlesen.
Hier könnt ihr die Rede der ver.di Beschäftigten nachlesen.
Hier könnt ihr die Moderationsbeiträge nachlesen.
Der erste Mai – heute für viele ein willkommener arbeitsfreier Tag – Bratwurst und nette Bühnenreden?
Oder lieber ausschlafen und später vielleicht Grillen?
Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht irgendwelche Horrormeldungen die Nachrichten bestimmen: Massenentlassungen hier, Produktionsverlagerungen da. Lohnkürzungen, Inflation, Leistungsdruck. Aber für Rüstung und Krieg sind innerhalb weniger Tage zig Milliarden da.
Was ist die Alternative?