Liebe IG Metall, wir haben Dir viel zu verdanken. Zum Beispiel unseren Tariflohn. Im Durchschnitt der ME-Industrie immerhin über 30,- Euro die Stunde. Fünf Sonderzahlungen im Jahr. Alterssicherung. Verdienstsicherung. Die 35-Stunden-Woche. Und und und ... Du hast in unzähligen Betrieben dabei geholfen, Betriebsräte zu wählen und unterstützt sie in Krisen und schwierigen Verhandlungen. Aber...

Du hast es sicher bereits gemerkt, gute Tarifabschlüsse durchzusetzen und später im Betrieb das Erkämpfte zu verteidigen, ist schwieriger geworden!

Und Du fragst Dich vielleicht, woran das liegen könnte? Wir sind uns sicher, es liegt zu großen Teilen daran, dass es die dritte -unsichtbare – Partei am Tisch der Tarifverhandlungen nicht mehr gibt. Die DDR.

Oder anders formuliert, die Angst der Kapitalisten vor dem Sozialismus fehlt. Seitdem ist es vorbei mit „Sozialpartnerschaft“. Nur hast Du das leider immer noch nicht verstanden. Unsere Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben spüren bereits seit vielen Jahren, dass die Bosse irgendwie anders, härter sind als früher. Aber je höher man in der Hierarchie der Gewerkschaft steigt, je näher man den Bossen und der Regierung kommt, desto mehr gewinnt man den Eindruck, die Zeit wäre stehen geblieben. Irgendwann zwischen Willi Brandt und dem vermeidbaren Ende der DDR. Doch die vermeintlich „gute, alte Zeit“ kehrt nicht mehr zurück.

Deshalb, liebe IG Metall: schau nach vorne und kämpfe!

Letztens, am 15. März, da wolltest Du Zähne zeigen. Mit mehreren Kundgebungen in ganz Deutschland. Das finden wir gut. Aber trotzdem müssen wir Dir dazu ein paar kritische Dinge sagen.

Eine Kundgebung – zum Beispiel die in Stuttgart – wird nicht allein dadurch größer, dass man die Teilnehmerzahl behauptet, die man gerne gehabt hätte. Wen willst Du damit beeindrucken? Wäre es nicht schlauer, ehrlich mit sich selbst zu sein und sich selbstkritisch zu fragen, warum die Mobilisierung an vielen Orten so zäh war? Vielleicht lag das daran, dass Du die eigenen Mitglieder nicht einfach bestellen kann, wenn Du meinst, dass wäre jetzt nett.

Besser wäre es gewesen, Du hättest ein wenig sensibler auf die Stimmung in der Gesellschaft und in den Betrieben geachtet? Vielen war nämlich nicht klar, warum sie kurz nach der Bundestagswahl demonstrieren sollten. Wäre es nicht schlauer gewesen, das vor der Wahl zu machen, um Einfluss auf deren Ausgang zu nehmen? Liebe IG Metall, Du könntest auch große betriebliche Konflikte zu nutzen und versuchen, daraus eine gesellschaftliche Protestbewegung entstehenzu lassen. Weil so wie im Herbst letzten Jahres bei VW war, geht es gerade ganz vielen Belegschaften. Aber seit wann ist „Weihnachten“ ein entscheidender Faktor in Tarifverhandlungen? So hieß es doch, man wolle unbedingt bis Weihnachten mit den Verhandlungen fertig sein. Warum beendest Du den Konflikt, bevor er überhaupt richtig begonnen hat? Warum versuchst Du nicht, dass sich andere Belegschaften den Protesten und einem möglichen, späteren Streik anschließen? Warum versuchst Du nicht, die Solidarität der Kolleginnen und Kollegen von ver.di in ihrer beginnenden Tarifrunde zu organisieren?Kurz hatten wir davon geträumt, dass die Arbeiter VW und der öffentliche Dienst zeitgleich streiken. Was wäre das für eine gesellschaftliche Bewegung für mehr soziale Gerechtigkeit geworden?!

Aber doch nicht so wie jetzt am 15. März. Noch kurz zur verpassten Chance bei VW und ihren Auswirkungen. Auch wir wissen, wie man ein – sagen wir mal schwieriges – Ergebnis hinterher schönredet. Man erzählt, was die Bosse vorher alles gefordert haben. Und behauptet dann, das Allerschlimmste verhindert zu haben. Das mag in Teilen sogar stimmen, aber Fakt bleibt auch, dass die Belegschaft dafür bezahlt, was andere verbockt haben.

Im Übrigen bezahlt nicht nur die VW-Belegschaft, sondern auch die Belegschaften diverser Zulieferer. Eigentlich hat das ganze Land nur darauf gewartet, dass man den gierigen Nieten im VW-Vorstand mal so richtig die Grenze aufzeigt.

Am liebsten hätten sich nicht wenige Belegschaften, denen es genauso geht, angeschlossen. Aber was war? Statt einer Urabstimmung zu Beginn des neuen Jahres gab es nur den bereits erwähnten „Weihnachtsfrieden von Wolfsburg“.Wir sagen es noch einmal bildlich, der Wolf und die Schafe können keine Partner sein! Und wenn die Schafe zu 90% organisiert sind, könnten sie das sogar nutzen, um den Wolf zu vertreiben. Sie sollte sich aber nicht eines nach dem anderen fressen lassen, und sich dabei einbilden, das geschehe „auf Augenhöhe“ und wäre eine faire „Partnerschaft“!

Aber, liebe IG Metall, zurück zu der Kundgebung in Stuttgart. Wir fragen uns auch, warum haben da fast nur Betriebsratsvorsitzende von großen Auto-Konzernen geredet? Mercedes, Daimler, AUDI, BMW usw. Ist die IG-Metall nicht mehr?

Ist unser Ziel nicht gute und vor allem gleichwertige Arbeitsbedingung entlang der gesamten Wertschöpfungskette? Dann hätte die Rednerliste anders aussehen müssen. In der Krise erwarten wir, dass Du versuchst, das gemeinsame Interesse der gesamten Klasse in der ME-Industrie durchzusetzen oder es wenigstens auf der eigenen Kundgebung offen ausspricht. Stattdessen entstand bei uns der Eindruck eines Schaulaufens eitler Vertreter(innen) der Betriebsratsgremien in der Autoindustrie. Großbetriebssyndikalismus statt Gewerkschaft für die gesamte ME-Industrie ist für uns keine echte Alternative.

Und, liebe IG Metall, was ist das eigentlich mit dem Industriestrompreis? Mal abgesehen davon, dass vermutlich kein „normales“ Gewerkschaftsmitglied die Schwankungen beim Strompreis für die Unternehmen verfolgt, geschweige denn international vergleicht, ist es wirklich Aufgabe einer Gewerkschaft, Subventionen für Unternehmen zuverlangen? Vor allem ohne zu beantworten, wer das dann wie bezahlt?

Wäre es nicht schlauer, einmal darüber nachzudenken, warum die Energieerzeugung und der Betrieb von Stromnetzen nicht Teil der staatlichen Infrastruktur seien sollten?! Ein russischer Revolutionär schrieb vor vielen Jahren, dass der Kapitalismus in seinem Endstadium eine „Tendenz zu Stagnation und Fäulnis“ zeigt. Offensichtlich hatte er recht. Oder anders formuliert: Ist doch klar, wenn man Industriepolitik dem Interesse privater Investoren nach möglichst großen Gewinnen unterordnet, dass da nur Scheiße rauskommt!

Also weder ein angemessener, in den Worten der Industrie-Bosse „wettbewerbsfähiger“ Strompreis und erst recht keine erfolgreiche“Energiewende“; sprich in dem Tempo wie sie angesichts des voranschreitenden Klimawandels nötig wäre. Das Schlimmste zu Schluss.

Wie kannst Du, liebe IG Metall, auf Deiner eigenen Kundgebung, drei Tage vor der Entscheidung des Bundestages über die neuen Kriegskredite, sprich über zig Milliarden für Ausrüstung und Bundeswehr schweigen?

Stimmt das wirklich, dass wenn sich die Bundeswehr nicht bis an die Zähne bewaffnet und zugleich die gesamte Gesellschaft „kriegstüchtig“gemacht wird, morgen „der Russe“ in Berlin einmarschiert?

Oder geht es unseren Ausbeutern und ihrer Regierung nicht vielmehr darum, dass wirihr Eigentum und ihre geostrategischen Interessen gegen ihrenimperialistischen Rivalen am „besten“ auf der ganzen Welt durchsetzen?

Liebe IG Metall, wir erwarten von Dir, dass Du die deutschen „Erzählungen“ mit denen Kriege gerechtfertigt werden hinterfragst und nicht, dass Du Dich der Regierungspolitik einfach unterordnest!

Nach dem Motto, „Krieg geht uns nichts an. Das entscheiden andere.“ Warum hast Du geschwiegen? Weil es auch Kredite für die Sanierung der verrotteten Infrastruktur geben sollte?

Weil Du darauf hoffst, dass die jetzt boomenden Rüstungsproduktion neue Jobs für bald nicht mehr gebrauchte Automobilarbeiter sein kann?

Aber Arbeit, die darin besteht, sich sein eigenes Grab zu schaufeln, ist keine „Gute Arbeit“. Um es in Deinen Worten zu sagen. Nebenbei bemerkt, kannst Du Dir vorstellen, dass die AfD gegen mehr Geld für die Bundeswehr wäre?

Nein. Natürlich nicht. Nazis findet Krieg und Militär klasse. Nur definieren sie manchmal „deutsche Interessen“anders als die aktuelle Regierung. Was wollen wir damit sagen? Die Ablehnung von Krieg und Aufrüstung ist praktischer Antifaschismus! Das Schweigen darüber nicht.

Und was war eigentlich mit der IG Metall Jugend? Wir wissen es nicht? Der Redner hatte zu vielem etwas zu sagen. Nur nicht dazu, dass die Jugend bald wieder für die Reichen in den Krieg geschickt werden soll.

Liebe IG Metall, jetzt denkst Du Dir hoffentlich, ihr habt mit vielem recht,aber was ist die Alternative? Vergiss die vermeintliche „Sozialpartnerschaft“.

Besinn dich wieder auf die eigene Kraft.

Die Kraft unserer Klasse. Mache keine Bogen um heikle, möglicherweise unter den Mitgliedern umstrittene Fragen. Dadurch wird das Problem nicht kleiner, sondern größer.

Stärke und politisiere Deine Jugendarbeit, Deine Vertrauensleute- und Deine Bildungsarbeit. Du wirst sehen, bald geht es Dir dann besser!

Und: Die IG Metall ist nicht der verlängerte Arm der Bundesregierung.

Egal wer Vize-Kanzler oder Arbeitsminister ist.

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