Kriege beenden – aber wie? Warum wir auf „Nicht unser Krieg“ setzen

Auch in diesem Jahr beteiligten wir uns im Rahmen unserer Kampagne „Nicht unser Krieg!“ an der Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Fellbach im Rems-Murr-Kreis, östlich von Stuttgart. Unser Ziel ist es – nicht nur am Antikriegstag – in der industriell und gewerblich geprägten Vorstadt von Stuttgart politisch sichtbar zu sein. Und zugleich als Kommunist:innen unseren Gewerkschaften „zu helfen“, sich in der Frage „Krieg oder Frieden“ endlich korrekt – oder überhaupt mal – zu positionieren.

Wir bewerten unsere Beteiligung als großen Erfolg: Mit 150 Teilnehmer:innen an Kundgebung und Demonstration konnten wir – nach dem diesjährigen Ersten Mai – zum zweiten Mal die Teilnehmer:innenzahl deutlich steigern. Dazu kommt, dass nahezu die gesamte Demonstration von unseren Kampagnen-Schildern und Inhalten geprägt war – allerdings ohne irgendetwas zu „vereinnahmen“, sondern weil die Teilnehmer:innen der Demonstration unsere Parolen und unseren klaren, roten Ausdruck gut fanden!

Damit zeigt sich erneut: Sich klar von links gegen die Kriege der Reichen und den Irrsinn kapitalistischer Eigentumsverhältnisse zu positionieren, bekommt nicht nur Zuspruch, sondern hat das Potenzial zu wachsen – und das weit über die Größe der eigenen Szene hinaus.

Kleinstadt-Realität statt Szene-Flucht

150 Teilnehmende mögen in einer Großstadtkulisse zwar eher bescheiden wirken, für eine Kleinstadt wie Fellbach sind sie aber ein deutliches Signal – nie zuvor gab es eine so große Demonstration zum Antikriegstag im Rems-Murr-Kreis. Und das in Zeiten, in denen in den allermeisten, selbst in größeren Städten, gar keine oder nur sehr mäßige und müde Aktivitäten zum Antikriegstag stattfinden.

In diesem Zusammenhang sei kurz angemerkt, dass das Proletariat nicht im hippen, grün-bellizistischen Szene-Kiez westdeutscher Großstädte wohnt, sondern in der Vorstadt oder in kleineren Städten – wie zum Beispiel Fellbach. Wir wollen damit sagen: Was in Fellbach geht, geht woanders auch!

Stimmungsvoll wurden während der Demonstration Parolen gerufen, und die Fellbacher Bevölkerung zeigte klar ihren Zuspruch. Viele Anwohner:innen fotografierten aus ihren Fenstern, zahlreiche Passant:innen blieben stehen, beobachteten die kämpferische Demonstration und nahmen interessiert Flyer entgegen. Einige schlossen sich sogar während unserer Zwischenkundgebung der Demonstration an.

Warum „Nicht unser Krieg“ unser Motto ist

In den letzten Wochen haben sich manche vielleicht gefragt, warum wir – als kleine, bescheidene Bewegung im Rems-Murr-Kreis und in Ludwigsburg – „Nicht unser Krieg“ als Kampagnenmotto gewählt haben, anstatt uns wie große Teile der linksradikalen Bewegung hinter dem Label „Krieg dem Krieg“ zu versammeln. Wir haben das getan, weil wir (und auch die Arbeiter:innenklasse) weit davon entfernt sind, dem drohenden III. Weltkrieg einen „eigenen, richtigen Krieg“ entgegenzusetzen.

Wir haben uns vielmehr gefragt:

Wer hat die Macht, Kriege zu beenden? Sind es die Kommunist:innen allein, die Kriege verhindern beziehungsweise beenden – wenn sie es nur wirklich wollen und entsprechende Opfer dafür in Kauf nehmen?

Wir denken, so „leicht“ ist es leider nicht. Die einzige Macht, die einem III. Weltkrieg zuvorkommen oder ihn mit der Revolution beenden kann, ist die Arbeiter:innenklasse – unter Führung der kommunistischen Partei. Gut meinende Kommunist:innen alleine können die Arbeiter:innenklasse jedoch nicht stellvertretend aus dem Schlammassel heben. Da hilft auch die beste Organisierung oder Straßentaktik nicht.

Es führt kein Weg daran vorbei: Die Arbeiter:innenklasse muss aufwachen und sich in Bewegung setzen. Und wir halten es als Kommunist:innen aktuell für unsere dringendste Aufgabe, der Weckruf zu sein. Dafür orientieren wir uns auch gerne an historischen Erfahrungen der kommunistischen Bewegung und versuchen – so bescheiden das auch sein mag – diese auf unsere Praxis, wie auch auf den Antikriegstag in Fellbach, anzuwenden.

Lernen von Lenin

Lenin hat 1922 mit „Notizen über die Aufgaben unserer Delegation im Haag“ einen instruktiven Text formuliert, in dem er darlegt, wie die sowjetische Delegation auf dem Haager Friedenskongress angesichts der Gefahr eines II. Weltkriegs argumentieren und handeln sollte. Wir finden, vieles davon lässt sich auf heute übertragen und empfehlen allen wärmstens, den Text in voller Länge zu lesen und gemeinsam zu diskutieren.

Lenins Position war:
„Antworten wir auf den Krieg mit dem Streik oder mit der Revolution! – so sprechen gewöhnlich alle die angesehensten Reformistenführer zur Arbeiterklasse. Und sehr häufig befriedigt und beruhigt der Scheinradikalismus dieser Antworten die Arbeiter, Genossenschaftler und Bauern. […] Man muss den Leuten die reale Situation erläutern: wie groß das Geheimnis ist, in dem der Krieg geboren wird, und wie hilflos die gewöhnliche Organisation der Arbeiter, auch wenn sie sich als revolutionäre Organisation bezeichnet, angesichts eines tatsächlich heraufziehenden Krieges ist.“

„Vielleicht besteht das hauptsächlichste Mittel zur Hineinziehung der Massen in den Krieg gerade in den Sophismen (scheinbar „logischen“ Argumente, die jedoch in die Irre führen und den Krieg „begründen“, z.B. Putin hat angefangen. Anm. der Verf.), mit denen die bürgerliche Presse operiert, und besteht der wichtigste Umstand, der unsere Machtlosigkeit gegen den Krieg erklärt, darin, dass wir entweder diese Sophismen nicht im Vorhinein oder mehr noch dass wir sie mit der billigen, prahlerischen und gänzlich hohlen Phrase abtun: Wir würden den Krieg nicht zulassen, wir verstünden vollkommen zergliedern den verbrecherischen Charakter des Krieges.“

Gegen Krieg reicht guter Wille nicht

Das Kapital kann – so mächtig es auch sein mag – seine Kriege nicht ohne die Hände, Köpfe und Körper der Arbeiter:innen führen. Fast jede:r Soldat:in war zuvor Arbeiter:in, jeder Panzer wird von Arbeiter:innen montiert, jede Granate von Arbeiter:innen hergestellt.

Das Kapital ist darauf angewiesen, dass ein Großteil der Arbeiter:innenklasse „gerne“ in den Krieg zieht – voller Opferbereitschaft und Überzeugung, wahlweise „das Vaterland“ oder eben „Demokratie und Menschenrechte“ verteidigen zu wollen. Und das Kapital sowie die „Vierte Gewalt im Staat“, die Medien, arbeiten daran mit Hochdruck.
Bellizistische Transatlantiker:innen geben sich mit russophoben Kriegshetzer:innen in den Talkshows der Republik die Klinke in die Hand. Die Zeitungen – bis auf wenige Ausnahmen – auf Kriegskurs. Und die „sozialen“ Medien sind voll von nationalistischem Dreck oder bezahlten Bundeswehr-Influencer:innen, die die Jugend für den Dienst in der Bundeswehr gewinnen wollen. Als ob es keine Klassen in unserer Gesellschaft gäbe, „der Osten“ durch und durch böse sei und sich kein:e Soldat:in Gedanken machen sollte über die Befehle, die er:sie ausführen muss. Alles nur eine große „Challenge“, eine „coole Community“ – und ein großes Abenteuer sowieso.

Allerdings: Noch sind die meisten unserer Klassengeschwister nicht bereit, für deutsche Profitinteressen an der Front zu sterben oder zu töten. Deshalb proben die Herrschenden und ihr Staat schon jetzt dafür, die „Ruhe an der Heimatfront“ im Zweifelsfall mit Zwang zu gewährleisten. Angriffe, wie am Wochenende in Köln auf die „Rheinmetall entwaffnen!“-Demonstration, sind nur ein vager Vorgeschmack auf das, was der Staat bereit ist zu tun. Wir wünschen allen Verletzten eine gute Besserung und stehen solidarisch an eurer Seite!

Dennoch zeigt uns dieser Angriff leider auch: Wenn nur die bewusstesten, organisiertesten Teile unserer Klasse – wir Kommunist:innen – gegen den Krieg protestieren, werden wir damit nicht weit kommen. Umso drängender ist es, dass wir zumindest versuchen, eine breite, kämpfende Arbeiter:innenschaft aus den Betrieben dagegen zu vereinen. Und dafür müssen wir unsere Klassenbrüder und -schwestern dort abholen, wo sie sind – sie politisch bilden und organisieren.

Gewerkschaften als Kampforganisationen

Das bedeutet auch, unseren Teil dazu beizutragen, dass unsere Gewerkschaften nicht länger unpolitisch oder ausweichend auf die massive Aufrüstung und Aushöhlung des Sozialstaats reagieren. Natürlich ist es richtig, den Aufruf des DGB-Bundesvorstandes zum Antikriegstag zu kritisieren (#unpolitisch & widersprüchlich). Noch besser ist es aber, dafür zu sorgen, dass der Ausdruck des DGB an der Basis ein anderer ist – eine klare Absage an den kapitalistischen Wahnsinn und die Aufrüstungshysterie – und die Kolleg:innen eben davon zu begeistern. Damit machen wir auch dem meist schnarchnasigen Hauptamtlichenapparat Beine – von ein paar engagierten Ausnahmen abgesehen, hat sich dieser am Antikriegstag auch in Fellbach lieber unter dem Schreibtisch versteckt und die eigene Kundgebung boykottiert, statt mit kämpferischen Arbeiter:innen auf der Straße Flagge zu zeigen.

Mit der Kritik gutmeinender Akademiker:innen allein wird das nicht gelingen. Sondern: Wir müssen uns mit den Kolleg:innen in den Betrieben (!) zusammenschließen; wir müssen aktiver, kämpferischster Teil der Arbeiter:innenklasse werden – und damit dazu beitragen, unsere Gewerkschaften wieder zu Kampforganisationen unserer Klasse zu machen.

Wenn uns das gelingt, ist eine Alternative zum Kapitalismus durchzusetzen möglich.
Und wir haben zugleich eine der „Formen des Herankommens an die Revolution“ geschaffen, von der Lenin und die Kommunistische Internationale sprachen. Wenn wir daran jedoch scheitern oder diesen Kampf für nicht nötig halten, dann gibt es niemanden, der den kommenden großen imperialistischen Krieg aufhalten kann – und wird!

September: Unser Antikriegsmonat beginnt

Wir blicken nicht nur auf eine erfolgreiche Demonstration zum Antikriegstag in Fellbach zurück, sondern auch auf den damit einhergehenden Startschuss in unseren „Antikriegsmonat“ September. In den nächsten Wochen werden wir den Ausbildungsbeginn antimilitaristisch begleiten, einen weiteren Lesekreis zu Lenins „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ beginnen, eine Veranstaltung organisieren und uns – zum Abschluss – an der Großdemo am 3. Oktober in Stuttgart beteiligen. Dem Jahrestag der eigentlichen Zeitenwende!


Die Welt war friedlicher, als es noch zwei Deutschlands gab!

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„Deutschland ist doch aktuell gar nicht im Krieg und bemüht sich um Frieden.“, „Deutschland muss aufrüsten, um gegenüber den Autokrat:innen unsere Demokratie verteidigen zu können.“ sind Aussagen, die viele in jüngster Zeit zu Ohren bekommen haben. Aber stimmt das? Wie argumentieren gegen den Krieg? Darum soll es hier gehen, in absehbarer Zeit auch in Druckform.